Ich bin ein bisschen überrascht über die Regelungen bei der GK was die Manöverwürfe angeht. War das 'ne Logikentscheidung oder hat es sich für euch als zu stark herausgestellt?
Ich bin einer der von Certus genannten Spieler mit Einwänden. Entsprechend lege ich mein Verständnis der Regeln auch mal dar, damit Leser sich auf Grundlage beider Sichtweisen eine Meinung bilden können.
Hinsichtlich der VW- und Manöver-Modifikationen bin ich ein Verfechter der offiziellen Regeln, weil es aus meiner Sicht nur dann Sinn ergibt, wenn man beide Modifikationen zusammen benutzt. Einen Knackpunkt bei der ganzen Diskussion sehe ich darin, dass eine Änderung des VW von Spielern gern etwas anders interpretiert wird als eine Änderung am Manöverwurf, dass es gewissermaßen einerseits um Schnelligkeit/Trägheit geht und andererseits um Kampfkunst, obwohl ein VW-Bonus von 3 für sich selbst letztlich genau das gleiche bewirkt wie ein Manöver-Malus von 3 für den Gegner.
In fast allen Fällen ist eine Sinn-Verknüpfung auch vollkommen passend und wird sogar durch das Regelwerk explizit unterstützt, gleichzeitig gibt es aber auch praktische Gründe. Ein paar Beispiele:
Ein leichtfüßiger Florentine (und etliche andere Kampfschulen) erhalten ihre halbe Stufe als VW-Bonus. Fluffig argumentiert, weil sie flink oder durch Training im Kampf geübter sind. Praktisch gesehen ist es rechnerisch auch sinnvoller, den VW des Charakter mit steigender Stufe zu erhöhen (eine jeweils einmalige Rechnung), anstatt bei jedem gegnerischen Angriff einen Malus einzurechnen.
Durch seine Schulstufe 1 erhält der Florentine einen Manöverbonus von 4 gegen einen Gegner, der ihn verfehlt hat. Fluffig gesehen, weil der Gegner für einen Moment ungünstiger steht, einen Angriffspunkt entblößt hat oder dergleichen. Praktisch gesehen, weil ein „VW-Malus des Gegners bei Angriffen durch den Florentine“ die etwas kompliziertere Art des Rechnens und die deutlich umständlichere Schreibweise für einen Regeltext wäre.
Ein geblendeter (bzw. kurzzeitig regeltechnisch „blinder“) Charakter erhält einen Manövermalus von 6. Fluffig argumentiert, weil er sich vorübergehend deutlich schlechter orientieren kann und entsprechend weniger weiß, wo er hinschlagen muss. Praktisch gesehen, weil es einfacher ist, bei einem Charakter eine Weile lang einfach immer einen Malus einzurechnen, anstatt Gegnern speziell gegenüber diesem Charakter einen VW-Bonus anzurechnen.
Gezielte Treffer. Je nach Körperzone, die man angreifen will, muss man einen Angriffsmalus in Kauf nehmen, weil es mehr oder weniger schwierig ist, einen speziellen Bereich zu treffen. Man hätte hier jedoch genauso mit dem VW argumentieren können, ein Kopf ist kleiner als das gesamte Wesen oder ist schneller mal weggezogen, als dass man mit dem gesamten Körper ausweicht. Praktisch gesehen hätte man wie bei Teilrüstungen mit verschiedenem Rüstungsschutz je Zone auch VW-Werte je Zone notieren können, anstatt den Angriffswurf anzupassen: VW allgemein: 15, VW Kopf: 21, VW Arm: 19, etc.
Bei diesem Beispiel sollte (denke ich) auffallen, dass logisches Einordnen bzw. rechnerisches Vereinfachen einer Kampfsituation nicht immer so eindeutig ist.
Nun zu den Größenklassen. Laut Grundregelwerk werden Größenklassen überhaupt im Kampf berücksichtigt, weil ein kleines Wesen schlechter zu treffen ist und ein größeres Wesen eine im Verhältnis größere Angriffsfläche bietet. Man kann ebenso, wie CertusRaven, auch eher an Gewicht und Trägheit denken, also letztlich flinke Feen und schwerfällige Trolle.
Ich denke wir sind uns alle einig,
dass da eine Art von Gewichtung bzw. Rechnung stattfinden sollte, die Frage ist nur wie genau.
Meiner Ansicht nach geht es immer um Verhältnisse.
Wenn ein Mensch eine Fee angreift, ist diese klein und flink für ihn und dadurch erschwert zu treffen. Eine Lösung dafür ist, der Fee einen VW-Bonus zu geben.
Wenn ein Mensch einen Troll angreift, ist der Troll im Verhältnis träge und bietet viel Fläche, sollte also vereinfacht zu treffen sein. Auch hier ist eine VW-Anpassung möglich, diesmal ein Malus für den Troll.
Wenn nun der Troll den Menschen angreift, ist die Lage ähnlich wie bei Mensch gegen Fee. Der im Mensch ist im Verhältnis kleiner und weniger träge als der Troll. Passend zu oben sollte der Mensch einen VW-Bonus gegenüber dem Troll erhalten.
Analog ist für eine Fee der Mensch verhältnismäßig groß und träge (wie bei Mensch zu Troll), hier sollte der Mensch einen VW-Malus erhalten.
Wir stehen nun vor dem Problem, dass es rechnerisch absolut nicht praktisch wäre, in jedem Kampf bei jedem einzelnen Angriff an Größenverhältnisse denken zu müssen und dies in den jeweiligen VW einzurechnen.
Das Grundregelwerk bietet eine, wie ich finde, wunderbar einfache Lösung dafür: Der Mensch wird als „Normalwert“ genommen und alles rechnerisch um diesen Nullpunkt herum aufgebaut. Dazu habe ich vor einer Weile sogar mal eine Grafik erstellt:
Hier.
(1) Angriffe vom Mensch ausgehend (vom Nullpunkt weg) werden durch den VW geregelt. Der Mensch trifft eine Fee erschwert, weil diese einen erhöhten VW hat. Der Mensch trifft einen Troll vereinfacht, weil der Troll einen verringerten VW hat.
(2) Angriffe gegen den Menschen (in Richtung Nullpunkt) werden durch Manövermodifikation gelöst, weil wir so den VW nicht ändern müssen und die Verhältnisse aus (1) intakt bleiben. Der Mensch bleibt bei einer VW-Änderung von +/- 0, die Fee kann ihn jedoch durch einen Manöverbonus vereinfacht treffen, für den Troll wird es durch einen Manövermalus erschwert.
Dadurch erreichen wir außerdem, dass bei gleicher Größenklasse ausgeglichene Verhältnisse herrschen. Kämpfen zwei Feen gegeneinander, erhalten beide +2 auf den VW und +2 auf Manöver, geringe Trägheit beim Ausweichen und bei Angriffen gleichen sich aus und sie treffen sich genauso gut wie zwei Menschen oder zwei Trolle untereinander.
Entsprechend sehe ich es als unverzichtbar, dass beide Anpassungen zusammen durchgeführt werden und sich ergänzen. Welche Teile durch VW und welche durch Manöver verrechnet werden hängt nur davon ab, was wir als Normalwert nehmen. Dass dies der Mensch ist hat eher praktische und rechentechnische Gründe, keine fluffigen.
Bei CertusRavens Hausregeln „fehlen“ die roten Anteile aus meiner Grafik, die blauen werden hingegen verdoppelt. Dies hat einige Konsequenzen:
Jede Größenklasse erhält einen umso ausgeprägteren Absolutwert, keine relative Anpassung. Ein Mensch wird von einer Fee, einem Troll, einem Urdrachen oder einem anderen Menschen gleichermaßen getroffen, die jeweilige Trägheit oder die relative Größe des Angreifers entfällt. Damit ist das von Certus beispielhaft genannte Scheunentor zwar von einem Halbling oder Troll gleichermaßen zu treffen, aber ebenso wird ein Apfel von einer Fee oder einem Drachen gleichermaßen zielgenau aufgespießt.
Das hat außerdem zur Folge, dass große Wesen mit entsprechend meist stärkeren Waffen kleinere Wesen gerne mal beim ersten Versuch töten. Das stereotypische Bild vom kleinen Wesen, das diverse kleine Treffer landet, gegen das große Wesen, was selten aber dafür vernichtend trifft, gilt nur noch eingeschränkt.
Aktiv gewürfelte Ausweich-Manöver werden bei CertusRaven genauso wie der VW geändert, nicht aber Parade-Proben, obwohl auch diese „passiv im VW enthalten sind“ (
NackterStahl-Beitrag). Kleine Wesen sollten daher eher ausweichen und keine Paraden nutzen, wohingegen große Wesen ihren deutlich reduzierten VW im Zweifelsfall durch eine unveränderte Parade-Probe deutlich übertreffen können.
Zwischen gleichgroßen Wesen entfällt die Trägheit des Angreifers, die VW-Änderungen werden jedoch wie gesagt verdoppelt. Feen erhalten +4 VW und treffen sich untereinander daher schlechter als Menschen mit +/-0 VW , wohingegen Trolle (-2 VW) oder noch größere Wesen wie Kampfechsen, Mammuts oder Drachen sich ständig erwischen.
Ich hoffe damit wird klar, weshalb ich die rechnerischen Hintergründe und Konsequenzen für wichtiger empfinde, als eine Gewichtung, die sich eher an Fluff orientiert.